Wer sich mit dem Social Web beschäftigt, muss wissen, was darin passiert. Wo sich die Unternehmens-PR seit Jahrzehnten Clipping- oder Ausschnittdienste für die klassischen Medien leistet, kommen mit Foren, Blogs, Facebook, Twitter & Co. jetzt völlig neue Kanäle hinzu, die beobachtet werden müssen. Um in Krisenzeiten schnell zu reagieren oder um frühzeitig Meinungen und Kommentare der Internetuser zum Unternehmen, den Marke und den dazugehörigen Produkten genau zu beobachten und auszuwerten. Nur so kann eine zielgerichtete und strategische Kommunikation in Social Media stattfinden bzw. eine schnelle Reaktion erfolgen.
Die Analyse der neuen Kanäle wird meist als Social Media Measuring (das Messen von Firmen- und Markenaktivitäten im Web) oder Social Media Monitoring (das systematische Beobachten von Inhalten nach festgelegten Kriterien) bezezichnet.
Die Auswahl der richtigen Tools und Dienstleister ist dabei eine eigene Wissenschaft und für Unternehmen ohne Social Media-Know How extrem aufwändig. Selbst ausgewiesene Kommunikationsprofis können da schon mal verzweifeln. Jochen Mai hat in seinem Blog Karrierebibel jüngst eine Liste mit fast 200 Tools erstellt. Da ist er wieder, der digitale Overkill.
Versuchen wir das Ganze zu vereinfachen. Grundsätzlich kann man zwischen zwei Arten von Tools unterscheiden: 1. kostenlose Tools 2. kostenpflichtige Tools.
Der Vorteil der Kostenpflichtigen: Sie werten einen Großteil der im Social Web verfügbaren Treffer aus und stellen diese – meist zusammenfassend in einem Dashboard – auf Charts so dar, dass Kommunikations- und Marketingprofis damit etwas anfangen können. Social Media Monitoring beruht auf internetbasierten Software-Programmen, die automatisiert und in Echtzeit Informationen aus sozialen Medien und Netzwerken liefern. Integrierte Report-Funktionen zeigen Unternehmen zu frei wählbaren Begriffen und Begriffsketten Nennungen und Konversationen in Social Networks an. Darüber hinaus bieten die meisten Monitoring-Tools automatisierte und volumenunabhängige Stimmungs-Analysen in verschiedenen Sprachen an, die zwischen negativen, neutralen und positiven Bewertungen unterscheiden. Richtig eingesetzt kann Social Media Monitoring auch ein wichtiges Frühwarnsystem im Falle einer Krise sein und die Verantwortlichen schnellstmöglich mittels Alerts über eine mögliche Gefährdung informieren. In Deutschland setzen bisher gut ein Drittel aller Pressestellen und fast die Hälfte der befragten PR-Agenturen einen professionellen Dienstleister ein (PR-Trendmonitor 2010).
Die kostenpflichtigen Tools werden von darauf spezialisierten Anbietern wie beispielsweise Alterian, interactivelabs, Viral Heat, Listen Logic, ethority oder webreputation vertrieben. Sie unterscheiden sich in ihren Leistungsmerkmalen zum Teil erheblich – vor allem auch bei der Preisgestaltung der Services. Eine Detailanalyse der Angebote würden an dieser Stelle den Rahmen unseres Blogs komplett sprengen. Stefanie Assmann hat in ihrem empfehlenswerten Social Media Monitoring Blog die Sisyphosarbeit begonnen, die Tools zu analysieren und zu bewerten. Das kann Ihnen einen ersten Anhaltspunkt geben.
Auch die britische Kommunikationsberatung Freshminds hat in einem im Mai 2010 publizierten Feldversuch gängige internationale Anbieter getestet. Das Ergebnis: Bei der identischen Abfrage einer Marke (in diesem Fall "Starbucks") produzierten die Systeme – je nach Anbieter – zwischen 519 und 5909 Treffer. Ein Unterschied von gut 1000 Prozent.Und bei der qualitativen Wertung der Treffer, der sogenannten Sentiment-Auswertung, war das Ergebnis noch ernüchternder: Im Durchschnitt wurden von allen Anbietern nur 30 Prozent der Posts maschinell korrekt bewertet, so das Ergebnis einer manuellen Nachkontrolle.
Also gilt: Augen auf bei der Auswahl des Anbieters. Nach unseren Erfahrungen empfehlen wir Kommunikationsabteilungen, mindestens drei Anbieter und ihre Tools ausführlich zu testen, bevor sie langfristige Verträge eingehen. Auch die qualitative Analyse der Daten durch den Anbieter kann ein wichtiges Entscheidungskriterium sein. Darüber hinaus muss jede Firma selbst entscheiden, welche Parameter für die eigenen Zwecke am wichtigsten sind.
Aber nicht jedes Unternehmen braucht eine vergleichsweise umfangreiche und aufwändige Monitoring-Lösung. Firmen können auch mit dem sinnvollen Verknüpfen kostenloser Tools einen sehr guten ersten Überblick darüber gewinnen, was das Web oder die Fangemeinde bewegt und welche Unternehmens- und Marktthemen aktuell in Blogs oder Foren diskutiert werden. Der Google News-Alert stellt z.B. die einfachste Form des News-Monitoring dar. Nach einer aktuellen Befragung von newsaktuell und Faktenkontor (PR-Trendmonitor Sept 2010) setzen ihn 56 Prozent der Pressestellen und 64 Prozent der PR-Agenturen ein. Das ist der Höchstwert aller Monitoring-Tools.
Facebook liefert wöchentlich die Statistik der eigenen Fanpage umsonst und Twitter lässt sich mit Hilfe von Tweetdeck und Twittersearch halbwegs passabel beobachten.Die Liste der Tools ließe sich, je nach speziellem Bedarf, fast unendlich verlängern. Allerdings muss dem reinen Erheben der Treffer dann auch intern das Sammeln und Auswerten folgen. Und das ist bei kostenlosen Tools meist eine manuelle Arbeit, die Zeit kostet (und demnach ähnlich budgetiert werden müßte, um einen fairen Vergleich mit den kostenpflichtigen Tools zu ermöglichen)
Um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, welche Social Media Monitoring-Tools ein Unternehmen einsetzen sollte, hilft es die eigenen Ziele im Social Web zu definieren. Legen Sie fest, welche Informationen Sie gewinnen wollen. Beispielsweise:
- Was interessiert meine Interesstensgruppen?
- Welche Themen werden in der Web-Öffentlichkeit wie diskutiert? Welche nicht?
- Wie wird das eigene Unternehmen, die eigene Marke bzw. Produkte oder Dienstleistungen durch die User bewertet?
- Welche Kritik, welches Lob wird über die Marke/Produkte etc. geäußert?
- Was sind die für das Unternehmen tatsächlich relevanten Kanäle (z.B. Facebook, Twitter, Foren)?
- Wer sind die für mich relevanten Multiplikatoren im Netz?
Und legen Sie auch fest, welche Kennzahlen Sie erheben und vergleichen wollen:
1. Den Buzz – also die quantitative Menge an Posts o.ä.
2. Fans, Follower, Userzahlen, Unique Visitors o.ä.
3. Interaktionsquoten (Kommentare, Likes, Anfragen etc.) o.ä.
Erst wenn Sie wissen, was genau Sie durch Social Media Monitoring erfahren wollen, wird es einfacher, die für Sie richtige Lösung zu finden.Die Kollegen der Absatzwirtschaft haben gerade zusammen mit mind business consultants einen umfangreichen Praxis-Leitfaden Social Media Monitoring veröffentlicht, der kostenlos zum Download bereitsteht.Die Publikation gibt einen guten Überblick über alle Bestandteile des Social Media Monitoring, zeigt Fallbeispiele und listet Anbieter auf. Ein Praxistest der Systeme liefert sie allerdings nicht und damit leider auch nur bedingt Entscheidungshilfe, welchen Anbieter Unternehmen wählen sollen.
(Silke Berg, Christian Faltin)