Easy-Live-Streaming: Periscope gegen Meerkat
Am Arbeitsplatz sitzen, das Handy neben sich, und (gemeinsam mit bis zu 600 Usern) die Pressekonferenz zum Ausstieg von Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund im Live-Stream verfolgen. Faszinierende Sache. Oder: Sich mal eben von SPON-Netzwelt Reporter Matthias Kremp in zehn Minuten in bewegten Bildern auf dem Smartphone seine Erfahrungen mit der Apple Watch schildern lassen. Alles kein Problem, und mit maximal drei Klicks nutzbar durch den LiveStreaming-Dienst Periscope. Und: Periscope ist nicht alleine, der Wettbwerber heißt Meerkat (engl. für Erdmännchen).
Aber beginnen wir von vorne: Anfang 2015 wurde den Twitter-Usern in aller Welt mittels Meerkat eine völlig neue Form des Video-Micro-Bloggings eröffnet. Fortan konnte man nicht nur Tweets senden, Videos hochladen und retweeten, sondern auch seine Follower mit einem Live-Stream des eigenen Smartphones in Real-Time über persönliche Geschehnisse auf dem Laufenden halten. Jetzt mag manch einer gähnen: „Was bringt mir diese Funktion im Vergleich zum gewohnten Versenden von Videos?“. Eine ganze Menge sogar! Meerkat lässt jeden, der die App im App-Store herunterlädt (Geduld, liebe Android-Nutzer), zum Echtzeit-Reporter werden. Nach einer kurzen Betitelung des folgenden Live-Streams und der Bestätigung des Kamera-Buttons innerhalb der App, wird ein Link zum Stream direkt an die Twitter-Follower geschickt. Interessierte Follower können also in Echtzeit am aktuellen Geschehen teilnehmen. Der Clou: Dank der eingebauten Kommentarfunktion, können die Zuschauer mittels Anmerkungen, Fragen etc. direkt auf das Video oder den Filmenden Einfluss nehmen. Stört den Nutzer also die Kamera-Einstellung, so dürfte das Problem durch einen Kommentar und einen einsichtigen „Kameramann“ schnell gelöst sein. Beinhaltet der Stream ein Gespräch wie zum Beispiel ein Interview, so kann man als Zuschauer die Fragen in abgetippter Form live senden. Cool oder?
Genau das hat sich Twitter auch gedacht…
… und startet mit der für 100 Mio. Dollar aufgekauften App Periscope sogleich einen Angriff auf Meerkat. Mit Periscope und zahlreichen erweiterten Funktionen im Vergleich zum Kontrahenten stößt nun auch die Twitter-eigene App allmählich auf großen Zuspruch in der Community. Periscope erlaubt dem Nutzer nämlich nicht nur das Video live zu streamen, sondern es ebenso bis zu 24h zu speichern. Im Home-Bereich der App werden nicht nur die aktuellen Streams der eigenen Zwitscher-Freunde angezeigt, sondern auch alle anderen gerade laufenden Streams. Gefällt einem das Video, so drückt man ganz in Instagram-Manier mittels eines Finger-Tips auf das Video seinen Zuspruch für das Gesehene aus. Die Folge ist eine Herzerl-Wolke, die die positive Resonanz auch bei den anderen Zuschauern verbildlicht. Periscope dürfte den Wettbewerber aber nicht nur wegen der Updates, zum Beispiel der Schutzfunktion gegen feindliche Kommentare, zahlen- und usermäßig bald überholen. Die bessere Streaming-Qualität und die höhere Datenrate, dürfte ihnen dabei auch positiv in die Karten spielen.
Twitter überlässt trotz vermeintlich technischer Überlegenheit in diesem Duell jedoch nichts dem Zufall und hat dem Antipoden gleich einmal neue Spielregeln diktiert: Twitter hat Meercat gegenüber die offene Programmschnittstelle API, die das Auslesen von Nutzerdaten bei Twitter bisher erlaubte, gekappt. Meerkat-Usern ist es also fortan nicht mehr möglich, die Live-Streams automatisch an die eigenen Twitter-Kontakte zu senden.
Video-Live-Streaming über Twitter eröffnet für Unternehmen faszinierende Möglichkeiten: Pressekonferenzen können so einfach für nicht anwesende Journalisten übertragen werden. Live-Berichte von Markenevents sind genauso denkbar wie kurze Blicke hinter die Kulissen. Gestern streamte ein User auf Periscope gleich mal eine Predigt aus dem Mailänder Dom. Und damit sind wir – typisch deutsche Bedenkenträger – beim Problem der Live-Streamerei angelangt: den Urheberrechten. Denn seitdem Mitte April vier bisher unveröffentlichte Folgen der US-Kultserie „Game of Thrones“ live gestreamt wurden, befürchten Produzenten und Urheber weltweit die massenhafte Verletzung von Copyrights. Die Landesmedienanstalten haben bereits die Frage in den Raum gestellt, ob auf Live-Streams Rundfunkgebühren zu erheben sind. Schließlich könne bei einer Followerzahl von über tausend Usern nicht mehr wirklich von einer Vervielfältigung des Materials im privaten Sinne gesprochen werden.
Mal schauen, was die Juristen so ausbrüten. In der Zwischenzeit können Marken munter mit Meerkat oder Periscope und den vielfältigen Möglichkeiten des Easy-Live-Streamings experimentieren.