Wie sieht der Journalismus von morgen aus? Was müssen Journalisten heute schon können? Und wie werden sie sich künftig finanzieren? Als Verlagsangestellte oder Self-Publisher, als Social Editor, Blogger oder Investigativreporter? Es passiert gerade ziemlich viel in der Medienwelt und der Kurs ist noch nicht ganz ausgelotet. Neudeutsch heißt das: Der Journalismus durchläuft gerade eine disruptive Phase. Wie die verläuft, wissen wir auch nicht. Aber wer die Medien in Zukunft gestalten wird, das wissen wir aber schon jetzt. Deshalb stellen wir Euch/Ihnen in unserer Reihe „Junge Journalisten“ Redakteure, Reporter, Blogger und Publizisten unter 33 vor, die die Branche kennen und lesen sollte. Heute im Gespräch: Brigitte Bauer, Redakteurin bei Werben&Verkaufen und Kontakter.
Seit wann steht für Dich der Berufswunsch Journalist fest? Was gab den Ausschlag?
Jetzt muss ich leider ein Klischee bedienen – aber es hat sich wirklich so zugetragen. Als Kind hat mich ein rasender Reporter in meiner kleinen Heimatstadt in der Oberpfalz inspiriert. Ich fand seine Arbeit total spannend. Als Teenager lieferte ich dann für die „Amberger Nachrichten“ ein paar Texte ab. Ungefähr zur selben Zeit erstellten wir in der Schule eine Projektarbeit. Da ging es darum, Texte einzusprechen und im Ton-Studio beim örtlichen Radio-Sender Aufnahmen zu machen. Die Ton-Experten dort waren angetan von meiner Stimme und ich war angetan vom Studio. Da war für mich klar – Vertonen und mit dem Mikro flirten, DAS will ich machen.
Zwei Jahre später stand ich schon wieder im Tonstudio. Diesmal mit meiner Band. Somit war nach dem Abi klar, welchen Studiengang ich einschlage. Schon während des Studiums vertonte ich für den Radiosender Charivari Projekte und arbeitete viel mit Ton- und Filmschnitt. Später kam das Praktikum bei Antenne Bayern und das Volontariat beim Deutschen Anleger Fernsehen. Dort arbeitete ich über drei Jahre als rasende Reporterin vor der Kamera. Danach kam ein kurzer Cut: Ich ging nach München und war in einer Werbeagentur tätig. Aber Corporate Publishing, Anzeigen texten und Tonbänder besprechen, war mir zu wenig. Somit schließt sich der Kreis, warum ich jetzt als Print-Journalistin für die W&V über die Agentur-Branche berichte. Insgesamt bin ich schon seit sechs Jahren als Journalistin tätig. Und ich liebe es.
Ist Dein Arbeitsalltag wie Du ihn Dir vorgestellt hattest, oder gab es im positiven wie negativen Sinne Überraschungen?
Dadurch, dass ich viele Praktika vor und während des Studiums absolviert habe, hatte ich bereits einen Eindruck, wie es im Bereich Radio, TV und Print abläuft. Jede Sparte hat ihre faszinierenden Seiten, aber eines ist Fakt: leicht ist der Job auf gar keinen Fall. Beim Kontakter, dem Schwestertitel der W&V, müssen wir jede Woche aufs Neue spannende News aus der Werbe- und Marketingbranche auftreiben. Das ist nicht immer leicht. Mir macht es aber wahnsinnig Spaß, viel mit Leuten aus der Branche zu telefonieren und mich breit zu vernetzen. Doch wenn man nicht kommunikativ und sehr neugierig ist – das gilt für Radio und TV genauso – dann ist man für den Job einfach nicht geeignet. Jeder, der sich dafür entscheidet, sollte für seinen Beruf brennen. Und: man darf nicht so naiv sein und annehmen, dass in diesem Berufsfeld das große Geld winkt. Eher füllt einen der Job aus und macht einen glücklich – das ist bei mir der Fall. Ich stehe morgens gerne auf und freue mich darauf, was der neue Tag bringt. Das ist für mich ein Geschenk.
Was war Dein skurrilstes Erlebnis bisher in Deiner Berufslaufbahn?
Ich würde nicht unbedingt das Wort skurril wählen. Seltsam ist die Medien- und die Agentur-Branche, über die ich berichte, sehr oft. Generell wird man als Journalist nicht immer nett behandelt. Vor allem, wenn man – wie ich im Kontakter – Sachverhalte aufdeckt. Aber ein Erlebnis ist im Kopf geblieben: Beim Fernsehen lautete mein Auftrag, EU-Kommissar Günther Oettinger zu interviewen. Auf einem Kongress habe ich ihn vor die Kamera bekommen und mit ihm gesprochen. Als er offenbar keine Zeit mehr hatte, lief er plötzlich aus dem Bild und ließ mich stehen. Aber ich bin cool geblieben 😉
Inwieweit nutzt Du das Social Web für Themen-Recherche und -Inspiration?
Ich nutze das Social Web immer. Facebook, Twitter, LinkedIn, Xing, Foren und Blogs – da erfährt man so einiges. Meine Aufgabe ist es, Geschichten zu finden. In Kommentaren auf Facebook oder unter Blog-Einträgen finden sich oft spannende Hinweise.
Blogger werfen (bewusst) viele der althergebrachten Regeln über den Haufen. Sie schreiben viel subjektiver, kommentierender. Wie wird das den klassischen Fachjournalismus Deiner Meinung nach verändern?
Ich würde sagen, dass es den Fachjournalismus weniger verändert, sondern vielmehr bereichert. Der News-Charakter wird in den speziellen Fach-Titeln auch in Zukunft beibehalten. Ich fände es merkwürdig, wenn Magazine ihren Duktus ändern würden. Die Leserschaft schätzt ja gerade den Fachjargon. Außerdem muss Fachjournalismus überhaupt nicht langweilig sein. In der W&V schreiben wir tolle Magazin-Geschichten, die alles andere als tröge sind und die sehr viel Meinung enthalten. Aber Blogger sind für Hintergrundgespräche und Trend-Artikel enorm wichtig. Denn sie sind am Puls der Zeit und können schnell auf bestimmte Themen und Strömungen reagieren. Ich schreibe selbst in einem Blog hin und wieder über Themen, die mich interessieren. Ich mag sowohl die kommentierende Schreibe, als auch den Newscharakter, den ich im Kontakter vertrete.
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Was ist Dein Trick, um ruhig Blut vor dem Redaktionsschluss zu bewahren?
Ach, ein wenig Adrenalin im Blut macht die Texte noch spritziger. Wer kurz vor Abgabe völlig ruhig ist, hat meiner Meinung nach nicht den richtigen Spirit. Oft ergeben sich erst kurz vor Redaktionsschluss die spannenden Wendungen, interessanten Gespräche und wichtigen Zitate. Es kommt oft vor, dass sich völlig unerwartet beim letzten Telefonat eine neue Story auftut, die noch mit ins Heft muss. Ich liebe die Action in der Produktion.
Wie schaltest Du vom Job ab, oder denkst Du rund um die Uhr an die Headline von morgen?
Abschalten fällt mir ehrlich gesagt schwer. Aber ich werde ja auch rund um die Uhr im Alltag mit Werbung konfrontiert. Auf dem Weg zur S-Bahn, Bannerwerbung beim Online-Shopping, über Screens beim Sport oder beim Fußballspiel im TV. Eigentlich tippe ich ständig Infos in mein Handy, wenn mir neue City-Light-Plakate auffallen oder ich eine Werbung besonders interessant finde. Auf Facebook schaue ich auch, was die Branche treibt. Aber wenn ich richtig abschalten will, mache ich das auf meinen Reisen. Mit Rucksack und Zelt in der abgeschiedenen Wildnis unterwegs zu sein und an die eigenen Grenzen zu stoßen. Dort draußen hat man kein Internet, keine Werbung, sondern nur Berge, Wälder, Flüsse. Auf einem Gipfel denke ich nicht mehr an den Job, da ist mein Kopf völlig frei – und dann tanke ich auf.
Wenn wir hier mal den besten Fachartikel küren würden: Welchen Deiner Berichte würdest Du einreichen? Und warum?
Da wir jede Woche eine tolle Leistung bringen und jede Woche stolz auf unsere Arbeit sein können, würde ich jeden Artikel einreichen. Ich hatte allerdings einmal ein sehr spannendes Interview mit Gerhard Weber, damals noch der CEO von Gerry Weber. Mir gegenüber hatte er die Umsatz-Prognose noch einmal angehoben. Das war natürlich eine Exklusiv-Meldung, die bei uns damals rauf und runter lief. Da war ich schon stolz.
Kein Mensch ist perfekt. Welchen Ratschlag wolltest Du Deinem Chefredakteur immer schon mal geben?
Da Jochen Kalka wirklich ein toller Chefredakteur ist, kann ich hier gar nicht auf den Putz hauen. Eher kann ich an dieser Stelle einfach mal Danke sagen dafür, dass er uns so motiviert und immer das Gefühl gibt, einen guten Job zu machen. Ich glaube, solche Chefs sind selten. Einen Wunsch habe ich allerdings: Jochen, ich würde unglaublich gerne mal mit dir Schuhe shoppen gehen! (wir stehen nämlich beide auf ausgefallenes Schuhwerk)
Was machst Du in fünf Jahren?
Wenn ich in fünf Jahren nicht mehr bei der W&V sein sollte, was ich nicht hoffe, dann bin ich vielleicht eine bekannte Reise-Beauty-Bloggerin und schreibe meine Artikel von überall auf der Welt. Immer mit den Füßen im feinen Sand oder auf irgendeinem Berggipfel. Es gibt noch so viel auf der Welt zu erkunden.
Über Brigitte Bauer:
Brigitte Bauer (Jahrgang 1984) studierte Germanistik an der Universität Regensburg. Nach ihrem Magister-Abschluss 2009 sammelte sie als Reporterin vor der Kamera journalistische Erfahrung beim Deutschen Anleger Fernsehen. Anschließend war sie als Beraterin und Texterin für die Werbeagentur Heller & Partner in München tätig. Seit November 2013 schreibt sie als festes Redaktionsmitglied für das Advertising-Ressort von W&V und Kontakter.
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