Mach Dich nützlich, Marke!

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Mach Dich nützlich, Marke!

Statt kreidebleich wurden wir Rot vor Freude, als wir das handgemalte Logo von cocodibu in passender Umgebung entdeckten. Cooles Branding der Gastgeber.
Statt kreidebleich wurden wir Rot vor Freude, als wir das handgemalte Logo von cocodibu in passender Umgebung entdeckten. Cooles Branding der Gastgeber.

Trinken für den Regenwald? Das kennen wir seit 2002, als Krombacher für jeden Kasten Bier einen Quadratmeter Regenwald pflanzen ließ. Was gibt es Schöneres als Alkoholkonsum, der durch Werbung nicht nur gesellschaftlich akzeptiert wird, sondern auch noch Gutes tut: Dem Umsatz der Biermarke und der Wiederaufforstung in der zentralafrikanischen Republik.
Den Deal „Kauf mich und ich spende einen (eher sehr) kleinen Teil meines Umsatzes“ kennt der Konsument mittlerweile aus einer Vielzahl von mehr oder weniger gelungenen Aktionen von Marken – gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit. Diese konsumistische Form des Ablaßhandels stößt aber an ihre Grenzen, je mehr dieser Aktionen den Menschen begegnen.
Wie wäre es stattdessen mit einem Werbeplakat, dass mitten in der peruanischen Hauptstadt Lima, in der es extrem selten regnet, Trinkwasser aus der in der Regel sehr feuchten Luft filtert. Und das als clevere Werbung für die Attraktivität und Innovationskraft des Ingenieursberufs. Die technische Universität UTEC in Peru entwickelte mit ihrer Agentur 2013 in einer preisgekrönten Aktion ein solches Plakat, das seitdem pro Tag knapp 100 Liter kostenloses Trinkwasser für die Bewohner Limas produziert.
Wasser umsonst statt Bierkonsum für den Regenwald? Die Entwicklung von Krombacher 2002 zu UTECH 2013 zeigt, dass sich der Anspruch an Marken verändert. Statt „Don’t be evil“ (der Slogan von Google) erwartet der Konsument immer häufiger „Be Useful“.
Viele gute Beispiele, wie Marken sich nützlich machen können, zeigte vergangene die UBX-Konferenz 2015, die von der Agentur virtual identity in München veranstaltet wurde (#ubx15). Samsung präsentierte mit Power Sleep ein Beispiel, wie sich die Prozessoren von Smartphones über Nacht für wissenschaftliche Zwecke nutzen lassen.

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Kimberly-Clark zeigte seinen Cannes-prämierten Case „Meeting Murillo“ der Windelmarke Huggies, bei dem einer blinden schwangeren Frau nach einer Ultraschall-Untersuchung ihr Ungeborenes als 3D–Druck gegeben wurde. So konnte sie fühlen, wie das Gesicht ihres Babies aussieht.
https://youtu.be/KD0AC43fc_4
Noch eindrucksvoller als der emotional anrührende Film war aber die Entstehungsgeschichte dahinter: Denn keiner bei Kimberly-Clark fand die Idee der Brasilianer gut. Nicht das Südamerika-Team, nicht das Global Headquarter. Warum sollen wir einen Film mit einer blinden Schwangeren machen, die nur einen winzigen Bruchteil unserer Zielgruppe darstellt? Warum sind keine Windeln im Bild und warum werden keine Produkteigenschaften der Huggies genannt? Einwände, mit denen wohl jeder Marketingleiter in seinem Unternehmen konfrontiert werden würde. Deshalb war es die wohl stärkste Leistung der verantwortlichen Marketingleiterin Priya Patel und ihres Teams, dass sie die Aktion trotz aller Einwände durchgezogen haben. Denn nachdem Huggies auch durch „Meeting Murillo“ die Windelmarke Nummer 1 in Brasilien wurde, waren natürlich alle Väter des Erfolgs – nicht nur die Mütter der Aktion.
Vom Moderator auf der UBX gefragt, ob sie sich denn vorstellen könne, wieder „normale“ Werbung zu machen, so mit Produkteigenschaften, Streichpreis & Co., verneinte Patel. Wer einmal etwas gesellschaftlich bewegt hat, möchte nicht mehr wiederverschließbare Bündchen und Saugeigenschaften kommunizieren. Die nächste ungewöhnliche Aktion, so Patel, sei bereits für Februar 2016 geplant.

Für Ralf Heller, den CEO von virtual identity, sollen Marken künftig "zuhören, unterstützen und innovieren".
Für Ralf Heller, den CEO von virtual identity, sollen Marken künftig „zuhören, unterstützen und innovieren“.

Bei allen gezeigten Beispielen spielte die Aufmerkasamkeit, die durch PR erzielt wurde – und nicht durch PAID Media erkauft werden musste -, übrigens eine zentrale Rolle.
Eine Useful Brand Experience im eigenen Unternehmen durchzusetzen, ist wohl die größte Herausforderung für Marketer. Dass Marken Mehrwert liefern sollen, ist ja nicht neu. Der Druck, dass sie es tun müssen, nimmt allerdings zu, sagte Ralf Heller, der Initiator der UBX und CEO von virtual identity. Denn mit über 3.000 Botschaften am Tag und einem konstant hohen Werbedruck nehmen viele Konsumenten Marken heute „als Stalker wahr, die sie nur noch nerven“, so Heller. Und reagierten darauf, indem sie sich aktiv oder passiv der Werbung entzögen.
Werbeverweigerung ist jedoch – anders als derzeit häufig der Eindruck erweckt wird – kein Phänomen, das allein durch blinkende Werbebanner im Internet ausgelöst. Als Vorläufer der Adblocker haben wir Prospekte aus Zeitungen und Zeitschriften geschüttelt, die wir ungelesen wegschmissen haben. Wir haben „Keine Werbung“-Aufkleber auf unseren Briefkästen angebracht und im Radio beim Werbeblock zur nächsten Station weitergedreht. Heute ermöglicht uns Technologie im großen Stile Werbung auszublenden: Festplattenrekorder erlauben das Skippen des TV-Werbeblocks, bei Digitalradios skippt man mit einem Tastendruck die Station, AdBlocker filtern Werbung aus Webseiten und sowohl die Zahl der werbefreien medialen Pay-Angebote als auch der Zahl ihrer Nutzer wächst. Egal ob bei Netflix, Spotfiy oder ähnlichen Angeboten.
Tut sich die ältere Generation mit dieser technologie-gestützten Form Werbung auszublenden, tendenziell eher noch schwerer, sind die jüngeren längst professionelle AdSkipper. Um überhaupt noch eine Rolle in ihrem Leben und auf ihrem Smartphone zu spielen, müssen Marken künftig eine „useful brand experience“ liefern. Was genau das sein kann, darüber müssen Marken jetzt verstärkt nachdenken, so das Fazit der UBX 2015, die man als inspirierende Veranstaltung (was Inhalt und Form gleichermaßen betrifft) nur empfehlen kann.
Witzige Idee: Für jeden Tweet mit dem Hashtag #ubx2015 schickten die Veranstalter einen Twitterball auf die Reise.
Witzige Idee: Für jeden Tweet mit dem Hashtag #ubx2015 schickten die Veranstalter einen Twitterball auf die Reise.

Dieser Rückblick wurde für LEAD Digital verfasst und dort publiziert.

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