Twitterwall: Bühne frei für das Publikum

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Twitterwall: Bühne frei für das Publikum

Twitterwalls können auf Veranstaltungen ein feine Sache sein. Vorausgesetzt sie sind nicht direkt hinter dem Podium angebracht, so dass die Diskutanten und der Moderator sie nicht sehen können. So beobachtet gestern (7. Juni) auf dem Mediacoffee von newsaktuell in München.

Dann nämlich können Sie zum Ärgernis für das Podium und zur Belustigung für das Publikum werden. Es gibt nämlich, bei jeder Veranstaltung, eine Reihe von Twitterer-Typen, die sich dann – manchmal im wahrsten Sinne des Wortes – auf der Twitterwall breit machen.

Hier eine kleine Auswahl:

1. Der/Die Ernsthafte …ermahnt den Moderator doch bitte zur Sache zu kommen, die Diskutanten möglichst nicht abzuschweifen und endlich Antworten zum Thema der Diskussion zu liefern. Er/Sie erwartet ernsthaft, dass bei der Diskussion etwas Zählbares herauskommt.

2. Der Pos(t)er…findet, dass er/sie wesentlich mehr zum Gelingen des Abends beitragen könnte, als das armselig besetzte Podium. Deshalb postet er in hoher Frequenz Beiträge, die ihn als den besseren Experten ausweisen und die Diskutanten alt aussehen lassen.   

3. Der Joker…opfert für einen guten Joke seine Schwiegermutter oder mehr. Sein Traum: Das Publikum lacht über seinen Tweet auf der Twitterwall, während sich die Diskutanten vorne um sachlichen Input bemühen. Gegen den Joker kann man nicht gewinnen, er kann sich nur selbst stechen.

4. Der Motzer…findet alles und jeden schlecht: Die Mikrofone knistern, das WLAN hakt, die Krawatte des Moderators oder seine Gesprächsführung gefällt nicht, die Beiträge sind öde, das Wasser lack, die Luft schlecht oder die Plätze zu wenig. Der Motzer disqualifiziert sich meist selbst.  

5. Der (externe) Experte…ist zwar nicht vor Ort, sondern meist im ICE zwischen Heute und Morgen unterwegs. Aber er hält sich für so unentbehrlich, dass er die Diskussion via Twitter aus der Ferne verfolgt und natürlich eifrig so kommentiert, dass sich der Veranstalter schämt, ihn nicht eingeladen zu haben. Allerdings hätte er eh keine Zeit gehabt, weil ihn Steve Jobs gerade eingeladen hat.  

6. Die Zitateschleuder...findet persönliche Äußerungen extrem wichtig und positioniert sich über eine meist knackige Wiedergabe derselben. Dumm nur, wenn man nicht der Erste ist, der das Zitat postet. Nummer 4 auf der Twitterwall will keiner sein.

7. Der offizielle Twitterer…hat das Pech , dass ihm Nummer 1 bis 6 meist alle guten Zitate, Bonmots und erwähnenswerte News der Veranstaltung vorwegnehmen. Wer will schon eine offizielle Quelle, wenn das Publikum unvoreingenommen aus erster Hand informiert. Wer als offizieller Twitterer Motzer und Poser zur Ordnung ruft, ist „Zensursula“ und komplett unten durch. Das Leben ist ungerecht.   

Ach ja, natürlich wurden gestern abend auch interessante Inhalte diskutiert, wobei bei mir persönlich Trendforscher Peter Wippermann und FOCUS Online-Jochen Wegner den nachhaltigsten Eindruck hinterließen. Auch das gehört übrigens zu Twitter: Dass man (fast) immer weiche Noten an den Moderator und das Publikum verteilt. 

Und wenn Sie jetzt immer noch auf Ihrer Veranstaltung eine Twitterwall einplanen, bitte folgendes berücksichtigen:

– Moderator und Diskutanten müssen die Tweets lesen können

– Beziehen Sie die Twitterer persönlich in die Debatte ein (und zwar nicht erst am Ende)

Viel Spass. (cf)

Da wir nicht die Einzigen waren, die sich ein wenig am Thema und der Twitterwall abarbeiteten, hier noch ein paar Links: der DFKOM-Blog, der Blog von Björn Ciezslik, Jens Petersen von newsaktuell,die Kollegen von F&H, der IT-Blog und der Blog von Matthias Lange

Und hier das Veranstaltungsvideo der Kollegen von newsaktuell:

 

2 Kommentare

  1. Sehr schön beobachtet. Mich ärgern Twitterwalls auf der Bühne auch seit langem. Deshalb empfehlen wir (http://www.vibrio.eu/blog/?p=1744) bei Events zwar den Einsatz von Twitterwalls – aber niemals auf der Bühne. Die beste Lösung ist es aber, wenn ein Twitterator die Tweets laufend auswertet und einzelne Anregungen von der Twitterwall direkt an den Redner oder das Podiums weiterreicht. So erhält das Publikum den gewünschten Rückkanal und eine strukturierte Diskussion ohne Störung der Aufmerksamkeit wird möglich.

  2. Wenn ich das hier nicht falsch verstehe, nimmt der Twitterator die Rolle der Zensur ein, indem er bestimmte Tweets meist subjektiv aussortiert. Und der Grundgedanke ist der pure Kommentar(auch wenn er manchmal hässlich sein kann), der wird dadurch untergraben.

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