Wir befinden uns im Jahre 2014 nach Christus. Das ganze Internet ist mit Bannern vollgepflastert. Das ganze Internet? Nein! Unbeugsame User wie Klicknix und seine Ad Blocker hören nicht auf, den bunten Werbeeinblendungen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die Vermarkter, die als Besatzer nicht nur in Agooglium, Facelibrum, Microsoftuluum sondern überall im Web ihre Zelte aufgeschlagen haben.
Nein, stopp, es geht hier nicht um „Asterix und die Pixel“. Hier und heute geht es um Native Advertising, wahlweise auch Sponsored Post, Advertorial, Schleichwerbung o.ä. genannt. Also Werbung, die im redaktionellen Teil von Webseiten integriert ist, so aussieht wie Redaktion, auch redaktionell aufbereitete Inhalte anbietet und trotzdem (hoffentlich als solche gekennzeichnete) Werbung ist.
Wer glaubt, das sei eine Erfindung des Internet, irrt. Native Advertising gibt es seit Jahren in gedruckten Produkten. Dort heißt das dann Anzeigensonderveröffentlichung, Advertorial, umfeldadaptierte Werbefläche oder Mischredaktion. Dass etliche Publisher nun auch im Web auf dieses Werbeformat setzen, hat mehrere Gründe: Die Klickraten von klassischer Onlinewerbung (Banner&Co.) geben weiter nach, gleichzeitig steigt der Erlösdruck für redaktionelle Inhalte. Parallel steigt die mobile Nutzung gerade von Newsseiten, wo die Einblendung von Werbung auf Smartphone oder Tablet stark eingeschränkt ist. Da liegt es aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Verlage/Publisher auf der Hand, Werbeformate mitten in den Inhalte/den Stream/die Newsline zu integrieren.
Aus journalistischer Sicht gibt es als Reaktion darauf entweder die komplette Verweigerungshaltung (Das beinträchtigt unsere redaktionelle Glaubwürdigkeit!), die mittelfristig aber den eigenen Job kosten kann. Oder die eher pragmatische Sichtweise: Wie viel Native Ads verträgt meine Webseite, ohne dass die Glaubwürdigkeit beim Leser leidet? Beide Standpunkte sind derzeit im Markt vertreten. Und je mehr internationale Qualitätsmedien wie z.B. die New York Times, die Washington Post, das Wall Street Journal dieses Format ausprobieren, desto mehr bröckelt die Front der Komplettverweigerer.
Dabei ist Native Advertising weder der Untergang des Journalismus, noch seine Rettung. Diese Form der Werbung kann immer nur Beiwerk sein. Schauen wir uns ein paar Native-Advertising-Beispiele in der Praxis an:
Dell war der Startkunde im Januar auf der New York Times. In einem furchtbar langen, mit Zahlen nur so gespicktem Artikel macht sich der Computerhersteller Gedanken darüber wie die Arbeitswelt der Millenials aussieht und wie sie 9 to 5 neu definieren werden. Fazit: Ein Foto, ansonsten Textwüste, kein Paradebeispiel für cleveres Content-Marketing. Und der Hinweise „PAID FOR AND POSTED BY DELL“ über dem Text.
Autovermieter Sixt nutzt das Sponsored Post-Format beim deutschen Fachmedium t3n.de, um Web-Designer und PHP-Entwickler zu suchen. Statt das Format inhaltlich zu adaptieren, übernimmt Sixt die Stellenanzeige komplett. Und packt zum HR-Marketing-Text noch ein Paar Links und Fotos dazu. Fazit: Wenig einfallsreich und wenig geshart.
Reiseveranstalter Intosol hat sich bei der deutschen Huffington Post mit einem Sponsored Post eingemietet. Aktuell stellt er ein Luxus Spa im afrikanischen Kwa Zulu Nationalpark vor. Immerhin schöne Bilder, eine Foto-Slideshow, aber ein Text, der jedes Marketing-Klischee erfüllt. Und am Ende des Beitrags gibt es Telefonnummer oder Kontaktformular zum Buchen. Fazit: Konversion Optimierung, die der Leser sofort als Werbung einbucht.
Und noch ein letztes Sponsored Post-Beispiel der deutschen Webseite Channelpartner: Dort wirbt nochmal Dell, in diesem Fall, für seine Profi-Tablet-Rechner. Immerhin findet sich ein Ansatz von Content Marketing. Vorgestellt werden zwei User. Diese finden das Produkt aber so supertoll, dass bereits nach dem ersten Absatz klar ist, wer das Tablet zuklappt. Fazit: Holzhammermethode.
Ähnlich uninspirierende Beispiele, wie die vier aufgeführten, gibt es noch mehr im Netz. Native Advertising scheint derzeit nicht mehr zu sein als platteste Advertorials, die zudem die multimedialen Möglichkeiten des Web in keinster Weise nutzen. Das ist nicht der Untergang des journalistischen Abendlandes, das ist eher der Untergang dieser neuen Werbeform, wenn die Umsetzung so bleibt. Niemand braucht im Augenblick Angst vorm Sponsored Post zu haben. Die Redaktionen nicht, weil viele Beispiele für native Advertising einfach viel schlechter gemacht sind als Redaktion und ihre Möglichkeiten nicht nutzen. Und die Werbungtreibenden? Sie müssen höchstens Angst haben, dass die teure Form des Native Advertising in der derzeitigen Umsetzung schlechte Resultate liefert.
Wesentlich verdeckter als die Internet-Kollegen geht da ein deutsches Printmedium vor: Das Handelsblatt zeigt an sehr prominenter Stelle auf seiner Seite 3 die Rubrik „Leser stellen sich vor“. Der Name ist Programm und nirgendwo das Wörtchen Anzeige zu entdecken. Wussten Sie, dass man sich für 5000 € in diese Rubrik einkaufen kann? Ein offizielles Angebot für dieses nicht als solches gekennzeichnete Sponsored Porträt liegt mir vor – und es kommt nicht von Miraculix.
P.S.:Aus dem letzten Absatz dieses Beitrags hat sich in den Fachmedien eine rege Diskussion entwickelt. w&v-Oline-Redaktionsleiter Frank Zimmer hat das Handelsblatt zu dieser Angelegenheit im Nachhinein befragt und folgende Antwort erhalten.
P.P.S.:Und die Kollegen von turi2 haben als Reaktion noch zu schärferem Vokabular gegriffen.
P.P.P.S.: Danach griff Spiegel Online das Thema auf.
P.P.P.P.S.: Und schließlich reagierte das Handelsblatt über den zum Verlag gehörenden Fachdienst Meedia mit einer ausführlichen Stellungnahme