Sie kennen das bestimmt. Sie haben in einem Online-Shop ein Produkt erworben. Und bei Ihren nächsten Streifzügen im Web wird Ihnen exakt dieses Produkt immer wieder angezeigt. Wer ist hier der Dumme? Das ReTargeting-System, der Webshop oder ist das Absicht? cocodibu-Blogger Christian Faltin lässt sich das Ganze mal von Dominik Frings, Geschäftsleiter mediascale, erklären:
Christian Faltin: Ich habe im Webshop von Olymp vor kurzem ein blaues Hemd gekauft. Auf jeder Webseite, die ich seitdem öffne, springt mir ein Kasten mit Olymp-Hemden entgegen. Warum checken die nicht, dass ich doch schon gekauft habe? Und warum bieten die mir noch blaue Hemden an?

Quelle: screenshot web.de
War lange blau und ist nun lila: „Mein“ Olymp-Hemd auf web.de. Quelle: screenshot web.de

Dominik Frings: Der Trend geht zum Zweithemd!
Dominik Frings, Geschäftsleiter mediascale. Fotoquelle: mediascale
Dominik Frings, Geschäftsleiter mediascale. Fotoquelle: mediascale

Faltin: Jetzt mal im Ernst bitte!
Frings: Ja was denn, wenn dich das Produkt überzeugt, nimmst du doch vielleicht wirklich noch ein paar dazu. Oder wären dir passende Krawatten lieber.
Faltin: Der Webshop weiß doch, dass ich schon gekauft habe. Und das nicht nur einmal. Und wenn ich JETZT ein zweites Hemd gewollt hätte, hätte ich mir sogar die Versandkosten von 4,95 € gespart. Warum verfolgen die mich trotzdem weiter? Liegt das an den ReTargeting-Einstellungen oder an der Tatsache, dass der ReTargeting-Dienstleister nicht weiß, was im Warenkorb des Webshops passiert?
Frings: „ReTargeting“ ist immer nur so gut wie man es einstellt, aber sag mal: Wenn die Versandkosten ein Problem sind, die können wir dir erlassen. Einfach klicken und kaufen.
Faltin: Kann man denn als Webshop mit seinem Dienstleister zusammen nicht einstellen, dass man einen Käufer (der gerade einen Warenkorb abgeschlossen hat) nicht mehr adressiert? Ist ReTargeting so dumm oder ist das ein Datenschutzproblem?
Frings: Nun sei halt nicht so kritisch und dumm sind die bedienenden Menschen, nicht die Systeme. Technisch ist es kein Problem die Einstellung so zu wählen, dass keine Werbemittelauslieferung nach einem erfolgreichen Abschluss erfolgt. Und bevor du fragst, warum man es nicht macht, hier eine Liste von möglichen Antworten: Vergesslichkeit, Gedankenlosigkeit, Absicht (weil das Volumen steigt), mangelnde Abstimmung. Wobei ich noch mal zum Geschäftlichen kommen möchte: Möchtest du wenigstens einen 10€-Einkaufsgutschein, wenn du binnen 30 Tagen noch mal ein Produkt bestellst. Du darfst dir die Hemdfarbe auch aussuchen.
Faltin: OK, gewonnen. Den Gutschein würd ich nehmen, der reinen Gier halber. Ob ich deswegen nochmal kaufen würde, offen. Höchstens ein Wiesnhemd. Erklärst Du es mir trotzdem noch: Wie macht man das praktisch und konkret, dass nach einem Kauf kein Werbemittel mehr ausgeliefert wird? Wie funktioniert der Datenabgleich?
Frings: Na siehst du, so kommen wir doch zusammen. Der Gutscheincode lautet XXX12345 und technisch wird mit einem Kauf ein Pixel aufgerufen, welches den Kauf anzeigt und eine Markierung setzt, dass ein bestimmter User nicht mehr angesprochen wird. Im Grunde ist es also ein Negativ-Targeting. Ich brauche also ein Pixel auf der Dankeseite im Shop und die dazugehörige Einstellung, was deutlich weniger aufwendig ist als eine Mondmission.
Gleich mehrfach im Bild: Der Olymp-Shop auf Karrierebibel.de
Gleich mehrfach im Bild: Der Olymp-Shop auf Karrierebibel.de

Faltin: Dann fasse ich nochmal zusammen: Wenn mich ein Webshop nach einem Onlinekauf wieder mit Displaywerbung anspricht, dann ist das a) keine Absicht und ein Fehler in den ReTargeting-Einstellungen oder b) Absicht, weil man mir noch mehr verkaufen will. Und welches Cookie sagt mir, ob a) oder b) zutrifft?
Frings: Falsch kombiniert Watson! Die Absicht der Weiterlieferung hat der ReTargeting-Anbieter, nicht unbedingt der Shop-Betreiber. Wenn du also weiterhin Werbung bekommst und ich meine jetzt unpassende – weil bereits gekaufte Produkte beworben werden – dann wurde der Shop einfach schlecht beraten. Denn so erhöhe ich nur unnötig das Mediavolumen, ohne dass eine hohe Kaufwahrscheinlichkeit dahintersteht. Es kann ja durchaus sinnvoll sein, im Nachgang die Kontaktstrecke fortzuführen. Diese sollte dann aber den Gegebenheiten angepasst sein, in dem ich entweder Goodies für einen Folgekauf auslobe oder vielleicht über neue Produkte informieren. Ich brauche aber immer eine individuelle Lösung für jeden Anwendungsfall. Was nun in deinem Fall konkret zutrifft, kann dir letzten Endes egal sein. Wenn du in eine Kneipe gehst und das Bier ist alle, interessiert dich ja auch nur das Ergebnis und nicht ob es daran liegt, dass die Zapfanlage kaputt ist oder der Wirt vergessen hat Nachschub zu ordern. Die Konsequenz für dich lautet dann, entweder es über dich ergehen zu lassen (weil du halt gerne besagte Hemden trägst), die Cookies zu löschen (was ich als Werber niemals raten würde;)) oder künftig woanders bestellen.
Faltin: Ich trink eh kein Bier, gegen Kekse hab ich aber grundsätzlich nix. Danke für die Tipps, Dominik.
Ein hoffentlich letztes Mal: Der Olymp-Shop auf Sport1. Quelle: screenshot Sport1
Ein hoffentlich letztes Mal: Der Olymp-Shop auf Sport1. Quelle: screenshot Sport1