Erinnern Sie sich noch an Edmund Stoiber, den ehemaligen Ministerpräsidenten des weißblauen Freistaats? Das war der Ex-Staatskanzleichef von Franz-Josef Strauss. Bei dem hatte er unter anderem gelernt, dass Medien und Medienpolitik nicht ganz unwichtig sind – Spieglein, Spieglein an der Wand….Deswegen machte der spätere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber die Medientage zur Chefsache und nutzte sie als Plattform und zentrale Veranstaltung rege und häufig für medienpolitische Botschaften und intensives Networking. Ganz anders übrigens als heute Horst Seehofer, dem die Medientage schnurz sind und der meist Wirtschafts- und Medienministerin Ilse Aigner als Vertretung schickt – oder jemanden noch weiter unten in der bayerischen Regierungshierarchie. In der Stoiberschen Phase waren die Medientage Schauplatz für die unendlichen (manchmal auch unendlich langweiligen) Duelle zwischen Vertretern von privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. VPRT-Ritter Jürgen Dötz gegen wechselnde Intendanten von ARD, ZDF und BR. Wesentlich mehr Unterhaltungswert hatten die Medientage in den 90ern, wenn die Privat-TV-Urgesteine Helmut Thoma (damals RTL) und Georg Kofler (damals ProSieben) direkt aufeinandertrafen. Bei der Wortschlacht zwischen Österreicher und Südtiroler war die Pointendichte deutlich höher als dieses Jahr beim erstmals als Moderator verpflichteten Thomas Gottschalk. Gelegentlich schalteten sich in das intramediale Rededuell auch noch die Verleger ein, die um ihre Pfründe fürchteten.
Lange Jahre ging das gut. Auch für die meisten Mediengattungen, die zwar auf den Medientagen immer wieder über diverse Benachteiligungen klagten, aber eigentlich noch gut verdienten. Dann kam das Internet. Am Anfang langsam, später mit Macht, aber so richtig Ernst nahmen das nur wenige Vertreter der Medienzunft (Hubert Burda vorneweg), zumal 2001 die Internetblase platzte und die Skeptiker zu bestätigen schien. Doch im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends mussten manche Medien lernen, dass Wachstum kein Grundgesetz und Werbeeinnahmen keine Selbstverständlichkeit sind. Da wurde auf den Medientagen mit Vorliebe und jahrelang ein Trauerspiel aufgeführt: „Die Leiden der alten Medien“ – verursacht durch „dieses Internet“. So mancher Regionalzeitungsverleger ging ab anno 2005 mit einem spöttischen Lächeln aus Vorträgen zu Online-Themen, um dann mit einem befreundeten Verleger über diese Jungspunde zu lästern, die keine Ahnung vom Geschäft hätten. Leider machten sie ihm da gerade mit Online-Plattformen sein Kleinanzeigengeschäft abspenstig.
In dieser Zeit waren die Medientage für viele Onliner zu altbacken, für Medienvertreter der alten Generation zu abgehoben und visionär, für Medienpolitiker nicht mehr die alte Glamour-Plattform und für andere weder Fisch noch Fleisch. Im Lauf der Zeit des ersten Jahrzehnts wurde die OMD und spätere dmexco als zentrale Veranstaltung für Online/Digitalmarketing groß und kleinere, spezialisiertere Veranstaltungen besetzten erfolgreich Wachstums- und Nischenthemen, die auf Elefantenrunden nicht spannend und kontrovers genug diskutiert werden konnten oder wollten. In dieser Zeit verlor übrigens auch das Medienforum NRW als zweite große Medienveranstaltung jegliche Präsenzpflicht.
In einer Periode, in der die GAFA begann, die Medienindustrie zu global dominieren, wirkten die Scharmützel zwischen deutschen Verlegern und Sendern sowie der Sender untereinander (im übrigen auch so manche Debatte zur nationalen Medienkonzentration) wie Relikte aus einer fernen Galaxie (aus einem anderen Jahrtausend sind sie übrigens auch). Mit dem Quartalsgewinn von Google ließen sich ganze nationale Medienimperien aufkaufen. Nur vonnöten ist das nicht mehr, da Google bereits jetzt eine ganz andere Dominanz ausüben kann.
Die Herausforderer für deutsche Medienunternehmen spielen heute international. Netflix, YouTube oder Facebook Instant Articles bestimmen die Diskussionen und redaktionelle Inhalte heißen Content – auch auf den Medientagen. Aus der Phase der German Medienunternehmer-Angst sind viele Unternehmen mittlerweile raus, stattdessen domniert zunehmend der Wille zur Mitgestaltung. Und auch die Medientage selbst scheinen ihre Bestimmung neu gefunden. Als zentrale Veranstaltung, auf denen die Medienbranche – und ihr anverwandte Segmente – die Zukunft ihrer Geschäftsmodelle ernsthaft debattiert, in Frage stellt und vielleicht auch neue Allianzen knüpft. Aus den Medientagen sind die Medientransformationstage geworden. Eine Positionierung, die auch die nächsten Jahre tragen sollte und mit der die Medientage neben der dmexco, der RePublica oder der Internet World ihren Platz haben. Und ob dann 25 Prozent Frauen auf den Medientage-Podien sitzen oder 15 oder 50, wird wahrscheinlich nicht Sissi Pitzer entscheiden, sondern der Arbeitsmarkt. Die Keynote von Wirtschaftswoche-Chefredakteurin Miriam Meckel war jedenfalls wesentlich gehaltvoller als der Content, den Thomas Gottschalk auf den Medientagen 2015 beisteuerte. Außerdem hat gerade Microsoft in Deutschland erstmals eine Chefin bekommen. Wenn das kein Signal ist. Könnte sein, dass die Medien ihre Tage bekommen.
P.S.: Der Autor hat etwa 25 Medientage hinter sich – vielleicht auch seine besten 😉