Nicht nur Caroline war vor kurzem bei der Hilsforganisation humedica zur Hospitation, auch Esther verschlug es ins wilde Allgäu. Mittlerweile schon zum zweiten Mal. Im Juli hatte sie dort schon das Zusatztraining für Medienkoordinatoren absolviert, jetzt stand der wichtigste Punkt auf dem Programm: Das eigentliche Einsatztraining für einen möglichen Auslandseinsatz mit humedica. Innerhalb einer Woche wurde hier der Ernstfall im Katastrophengebiet simuliert. Ich habe sie in einem kurzen Interview zu ihren Erlebnissen in Kaufbeuren befragt:

Alle Teilnehmer des humedica-Einsatztrainings
Alle Teilnehmer des humedica-Einsatztrainings

Vera: Esther, Du hast Dich ja neulich tapfer beim „Test- Auslands-und-Katastropheneinsatz“ von humedica im Allgäu geschlagen. Wie viele Leute haben daran teilgenommen und was war der „Anlass“ für Euren Einsatz?
Esther: Das Einsatztraining ist für alle verpflichtend, die für humedica in einen Auslandseinsatz gehen möchten – sowohl für Koordinatoren als auch für Mediziner. Deshalb waren wir für eine Woche in Kaufbeuren unterwegs, um uns auf den Ernstfall vorzubereiten. Mit mir waren es 23 Teilnehmer, davon 8 angehende Koordinatoren und 15 Mediziner (Ärzte, Krankenschwestern, Krankenpfleger). In der Woche ging es darum, einen Einsatz im Katastrophengebiet zu simulieren und das wichtigste Handwerkszeug (theoretisch und praktisch) für den Ernstfall zu erlernen. Geschlafen haben wir in Zelten –  gar nicht so angenehm, im Allgäu wird es nachts ziemlich zapfig. Gelernt wurde sowohl drinnen als auch draußen.
Vera: Welche Aufgaben lagen in Deiner Verantwortung?
Esther: Ich gehörte zu den acht angehenden Koordinatoren. Zu Anfang der Woche wurden wir in Teams aufgeteilt, bestehend aus einem Haupt- und einem Zweitkoordinator, Arzt/Ärztin und zwei Krankenpfleger/-schwestern. Für den Anfang des Trainings war ich Hauptkoordinatorin in meinem Team, Mitte der Woche haben dann Haupt- und Zweitkoordinator die Rollen getauscht.
Wir wurden in der Trainingswoche ja auf den Ernstfall, einen Katastropheneinsatz vorbereitet, deshalb standen alle Aufgaben auf dem Programm, die wir auch in einem echten Einsatz haben werden. Und das sind ziemlich viele: Erst einmal sind Koordinatoren die Teamleiter und sorgen dafür, dass das Team gut (zusammen) arbeitet/arbeiten kann. Konkret heißt das zum Beispiel, wir tun alles dafür, dass die Mediziner ihre Arbeit machen können. Wir sind für die Ausstattung zuständig (müssen zum Beispiel die Medikamente und Ausrüstung durch den Zoll bringen), für die Verpflegung des Teams und deren Sicherheit. Zum anderen ist die Koordination mit anderen Hilfsorganisationen, lokalen Partnern und der lokalen Regierung in Katastropheneinsätzen extrem wichtig. Also sitzen wir Koordinatoren für humedica auch in den Koordinationsmeetings mit anderen Hilfsorganisationen. Dann steht noch das zusätzliche Drumherum auf dem Plan: Wir verwalten das Geld, führen Buch und schreiben jeden Abend Berichte über den Einsatz, die dann an die humedica-Zentrale gehen – auch für die Website und Pressemitteilungen. Medienkoordinatoren sind dann zusätzlich noch für die Pressearbeit zuständig (das könnt ihr in meinem alten Blogpost nachlesen). Ganz schön viel, auf das es heißt gut vorbereitet zu sein.
Unser "Compound"
Unser „Compound“ – rechts unsere Zelte und die Primary Health Care (PHC)-Station

 
Vera: Jetzt mal Hand aufs Herz – ist man sich nicht die ganze im Klaren darüber, dass alles nur eine Simulation ist, oder vergisst man tatsächlich komplett, dass es sich nur um ein gestelltes Szenario handelt?
Esther: Naja, wir waren ja nicht die ganze Zeit „im Einsatz“, sondern es gab ja auch viel Theorie-Input. Da ist einem natürlich schon klar, dass wir jetzt nicht irgendwo in einem Katastrophengebiet sitzen, sondern im Gemeindesaal. Bei den praktischen Übungen  – zum Beispiel zum Aufbau einer medizinischen Hilfsstation – verschwimmt die Grenze allerdings ganz schön schnell. Da steht man dann plötzlich irgendwo im Wald und bekommt ganz schön Angst, obwohl einem im Hinterkopf eigentlich schon immer bewusst ist, dass man sich im Allgäu befindet.
Mit meinem Evakuierungsrucksack war ich aber am Ende der Woche wie verwachsen. Den mussten wir nämlich immer dabei haben – falls wir eben im Szenario evakuiert werden müssten. Als ich am Wochenende wieder zu Hause war hab ich mich immer nach dem Rucksack umgeschaut – das war einfach selbstverständlich geworden. Mehr will ich darüber aber jetzt gar nicht verraten, denn das Einsatztraining lebt schon auch davon, dass man nicht weiß, was genau auf einen zukommt.
Vera: Wie hast Du Dich während des Einsatzes gefühlt? Gab es Situationen, in denen Du überfordert warst?
Esther: Das Einsatztraining ist ja dafür da, uns auf einen echten Einsatz vorzubereiten. Und um abzuklopfen, ob wir dafür überhaupt geeignet sind (physisch und psychisch). Da bleibt es nicht aus, dass man sich auch mal nicht so toll fühlt. Zum Beispiel wirklich anstrengend war der Schlafmangel. Los ging es für die Koordinatoren jeden Morgen mit einer Besprechung um viertel vor sieben, ins Zelt sind wir Koordinatoren meistens erst gegen 23 Uhr oder später gekommen – wir mussten ja Abends noch unsere Berichte schreiben oder einfach auch noch den Tag reflektieren. Und so wirklich geschlafen hat man dann eben auch nicht, dann gehen einem die Ereignisse des Tages nochmal durch den Kopf und man hat natürlich auch die ständige Drohung einer Nachtevakuierung vor Augen, die wir Koordinatoren dann leiten müssten.
Es gab auf jeden Fall Situationen, in die man normalerweise noch nie gekommen ist (und hoffentlich auch nicht kommen wird). Da kommt man dann doch auch an seine Grenzen – und ist im ersten Moment auch ein bisschen überfordert. Aber es gab immer eine Lösung. Außerdem waren wir im EinsatzTRAINING. Da war es okay auch mal Fehler zu machen, denn diese Fehler macht man später nie wieder.
Vera: Kannst Du Dir vorstellen bei einem echten Einsatz dabei zu sein?
Esther: Auf jeden Fall. Und ich freue mich sehr, dass humedica mich dafür angenommen hat! Jetzt heißt es für mich erstmal: Registrieren. Ich habe einige ärztliche Untersuchungen und Impfungen vor mir und ganz schön viel Papierkram zu erledigen. Wenn ich die Unterlagen alle zusammen habe, komme ich in den Freiwilligenpool und könnte jederzeit alarmiert werden – Katastrophen richten sich ja meistens nicht nach vorgegebenen Zeiten ;). Ich kann mir aber auch gut vorstellen, erst einmal auf einen der längerfristig geplanten Einsätze von humedica zu gehen. Wen es interessiert, hier  gibt es die Infos zu den geplanten Einsätzen.
Vera: Was hast Du für Dich persönlich aus dieser Erfahrung mitgenommen?
Esther: Meine Grenzen liegen weiter weg, als ich eigentlich gedacht hätte – ich darf mir also ruhig auch mal mehr zutrauen. Außerdem war die Gruppe einfach super. Ich habe echt tolle Leute kennengelernt, von denen ich auf jeden Fall hoffe, sie nochmal im Einsatz zu sehen (und auch wann anders – wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt) 🙂
 
Für alle, die ganz besonders brav bis zum Ende gelesen haben, gibt es noch ein Schmankerl: klein Esther in voller Einsatztrainings-Montur:
Vollgepackt ging es auf nach Kaufbeueren
Vollgepackt ging es auf nach Kaufbeueren