Nach dem Rausch kommt der Kater
Die Wiesn ist vorbei, die Räusche und der anschließende Kater hoffentlich auch. Wie schaut es bei einem ähnlich globalen Highligth, dem Thema "Social Media", aus? Sind wir noch mitten im Hype? Die Zahl der Kongresse und Workshops lässt es vermuten. Und wann kommt der Kater? Jetzt versucht ein Buch aus dem mir bisher nicht bekannten (Asche über mein Haupt) Business Village Verlag schonungslos den "Social Media Rausch" zu entzaubern.
Das Adjektiv "schonungslos" hätte die beiden Autoren, die w&v-Redakteure Frank Zimmer und Helmut van Rinsum, selbst sicher nie verwendet. Denn eine Abrechnung mit dem Social Web wollten Sie auf gar keinen Fall verfassen. Und das haben sie auch nicht.
Bevor wir in die Details einsteigen, mein Fazit vorweg: Ein absolut lesenswertes Buch für Marketing- und Kommunikationsentscheider, die sich noch überlegen, was sie mit dem Thema eigentlich anfangen wollen. Denen könnte es viel Geld und etliche negative Erfarungen sparen. Unterhaltsam geschrieben und gut recherchiert. Den Insidern sind viele Beispiel bekannt (sicher auch aus der w&v), dennoch konnte ich mir den ein oder anderen Schmunzler nicht verkneifen. Beispielsweise bei der Annemarie-Krise (ein lokales Lehrstück über eine Metzerei-Fachverkäuferin) oder der Passage, wo die eigenen Kinder im pubertären Alter als Paradebeispiel für Digital Natives und ihr Mediennutzungsverhalten zitiert werden. Habe ich auch schon angebracht und bekenne mich schuldig im Sine der Anklage.
Ansonsten hat mich meine Frau bei der Lektüre des Buches (während des langen Wochenendes) oft nicken sehen: Ja, Social Media ist kein Allheilmittel für Marketing und Kommunikation. Ja, auch für Social Media gilt das klassische EinmalEins des individuellen Dialogs. Und ja, trotz des gegenwärtigen Hypes sollte man sich als Unternehmen und Marke langfristig mit dem Thema beschäftigen. Garniert wird die erfrischend pragmatische Sicht auf das Thema um jede Menge Fallbeispiele und Anekdoten aus der Praxis '(Pril, Serviceplan, Teldafax, Nestlé, Tchibo, Grohe, Die Bahn, Immoscout24, Konstantin Neven Du Mont uvm.). Sie belegen allesamt, dass nicht der "Kanal" Social Media über Erfolg und Misserfolg entscheidet, sondern die Idee dahinter und eine kanalgerechte Durchführung. Da ohne eine gute Social Media-Organisation und -Struktur aber auch die schönste Idee nicht fliegt, braucht es zusätzliche Ressourcen..Wie Unternehmen zwischen Heißluftdüsen, Social Media Gurus und Dienstleistern, die alles können, den für Sie richtigen finden, erzählen die Autoren auch: Nämlich, klassisch Social, über die persönliche Empfehlung. Mein Lieblingszitat: "Der klassische Social Media-Mitläufer versteht nicht immer alles, kann es aber jederzeit erklären."
Das tun die Autoren freundlicherweise nicht. Aber selbst die Menschen, die auf fünf Tipps, zehn Thesen und Checklisten stehen, lassen sie am Ende des Buches nicht alleine. Eine Anleitung für den erfolgreichen Aufbau von Social Media-Beziehungen wird der geneigte Leser vergeblich suchen, den gibt es nur gegen eigenes Hirnschmalz.
Schön, dass ein Verlag auch Bücher publiziert, die einfach nicht den fünften Leitfaden für den erfolgreichen Einstieg in Irgendwas versprechen, ohne Guru-Getue auskommen und in Zeiten hochkreativer Wortschöpfungen verbal die Metzgerei im Dorf lassen. Dafür ein "Gefällt mir plus".
Christian Faltin
Veröffentlichung nach § 1 der deutschen Authentizitätsregel:
Der Verlag hat uns dieses Rezensionsexemplar übrigens gratis zur Verfügung gestellt. Meine persönliches Meinung ist kostenlos, aber hoffentlich nicht umsonst.