Die andere Seite oder JOURNALISTEN sind …

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Die andere Seite oder JOURNALISTEN sind …

Vergangene Woche brachte es der PR-Trendmonitor ans Licht:  "Journalisten sind desinteressiert", sagen viele PRler (also ein Drittel). PRler sind "Heißluftdüsen", die dann den Schwanz einziehen, wenn es für Unternehmen ernst wird, sagen sinngemäß viele Journalisten (gefühlt die meisten). Es lebe das Klischee, das durch solche Umfragen immer wieder gerne bedient wird! Gelernte Journalisten, die dann später in der PR arbeiten – wie beispielsweise ich einer bin oder Steffen Seibert (der Sprecher der Kanzlerin) – trifft das Schicksal am härtesten: Sie sind demnach desinteressierte Heißluftdüsen.

Gerade im Winter könnte man damit eigentlich gut leben. Nur leider heizen auch PR-Agenturen nicht alle mit der eigenen Warmluft. Weil wir uns der Wahrhaftigkeit verpflichtet fühlen, wollen wir an dieser Stelle die Gattung der Journalisten, die uns tagtäglich so im Alltag begegnet, massivst verteidigen und das Umfrageergebnis des PR-Trendmonitors mal eben erweitern. 

JOURNALISTEN sind … VIELE. Vier davon stellen wir Ihnen heute vor:

Der aggressive Besserwisser / Großkotz

… kennt sich total gut aus, weiß über das jeweilige Unternehmen und den Markt so gut Bescheid, dass er beschlossen hat, sein Weltbild fürderhin als geschlossen zu betrachten. Weil er schon so lange in dem Geschäft ist, will er Ihnen als PR-Mensch oder Firmenchef eigentlich erklären, wie die Branche tickt. Sein Frust: Statt als Manager die Geschicke zu lenken, muss er über das Missmanagement anderer berichten. Nur die Tatsache, dasss er immer noch Journalist ist und noch nicht als Geschäftsführer berufen wurde,  hält ihn davon ab, noch unfreundlicher mit PR-Menschen und Unternehmensvertretern zu reden. Wenn es in seinem Medium keinen Dreispalter für seine Ergüsse gibt, schreibt er im eigenen Blog Dekrete an die Welt, in denen er erklärt, was alles nicht geht. Leider hat er in vielen Fällen für sich noch nichts gefunden, was geht. Lädt man ihn zu Unternehmensveranstaltungen ein, ist alles unter der Moderation einer Hauptversammlung eine Zumutung. Bei einem guten Essen in teurer Randlage referiert er über die richtige Weintemperatur, die der vor ihm stehende Grand Cru auch diesmal wieder nicht hat.

Der Kompetente / Sachliche

…ist fachlich kompetent, meist länger im Job und hat Erfahrung in der Materie. Ihm geht's um die Sache und nicht um sein Ego. Er kennt die Regeln einer erfolgreichen Gesprächsführung und wendet die auch im Kontakt mit PR- oder Unternehmensvertretern an. Gespräche eröffnet er mit "Warmlaufen", um später umso härter zum Kern und in eine intensive sachliche und fachliche Auseinandersetzung einzusteigen. Man kann sich insofern auf ihn verlassen, da er sich meist exzellent vorbereitet, so dass es Spaß macht, sich inhaltlich mit ihm auseinanderzusetzen. Zitate, die er verwendet, sendet er zur Abstimmung zu. Änderungen akzeptiert er, wenn sie nicht inhaltlich genau das Gegenteil dessen sagen, was besprochen wurde. Insgesamt ist er ein fairer Partner, der wohl zwischen seiner Rolle als freiem Berichterstatter und der Position eines Unternehmenssprechers zu unterscheiden weiß. Wenn er kritisiert, hat das in den allermeisten Fällen Hand und Fuß. Und sollte er mal loben, ist das eine besondere Auszeichnung. Derzeit ist diese Spezies Journalist zunehmend vom Aussterben bedroht, sie hält sich vor allem noch in nicht newsgetriebenen Medien.   

Der Getriebene / Hektiker

…will auf keinen Fall von außen gestört werden. Er hat immer Redaktionsschluss, egal was die Uhr anzeigt. Das merkt man auch daran, dass die Tür seines Einzelzimmers in der Redaktion meist zu ist. Er schlägt grundsätzlich dann bei Agenturen oder Pressestellen auf, wenn eigentlich schon alles zu spät ist. Will dann aber sofort mit "El Schefe" sprechen und sich nicht mit Subalternen rumärgern. Seine journalistischen Quellen plätschern im Verborgenen, und Recherche beginnt und endet oft mit dem Satz: "Ich habe da gehört, dass…". Ob die Story stimmt oder nicht, ist nicht ganz unwichtig, aber wichtig wäre, dass er sie als Erster bringt. Zitate abzustimmen, bringt für ihn nichts. Das dauert alles viel zu lange, und außerdem entscheidet in letzter Instanz eh er, wer was sagen darf. Er ist der König der Newsshow, und PR-Leute sind für ihn lästiges Geschmeiß, das ihn meist an seiner Arbeit hindert. Hätte er Zeit, würde er sie antanzen lassen, lässig die Daumen in seine Hosenträgern einklinken und ihnen mal eine Stunde über sein journalistisches Selbstverständnis referieren. Privat liebt er die alten amerikanischen Journalistenschnulzen, in denen Männer ihren Redaktionssessel noch für einen Whiskey an der Bar verlassen und drallen Blondinen generös das nächste Yellow cab öffnen. Leider ist sein Alltag weniger nett, das Hamsterrad sein Lebensrahmen, aber daran sind vor allem die Chefredakteure und Verleger schuld, die sein Genie noch nicht erkannt haben. Aber das kann ja noch kommen. So, und jetzt muss er auflegen.

Der Uninspirierte / Schöngeist

…wollte eigentlich ursprünglich Literat werden, als Mann der feinen Feder die Silben wägen und mit dem Dichterflorett das intellektuelle Parkett erobern. Jetzt sitzt er über groben Texten zu Themen, die ihn kaum oder gar nicht interessieren. Seit größtes Problem ist die Langeweile, die Öde des journalistischen Alltags mit Fachthemen, Recherche und lästigen Gesprächspartnern, die ihn mit Details zuschwallen. Die Vorbereitung eines Gesprächs verlagert dieser Typus ins Unternehmen. Er hätte gerne alles in kleinen, nicht allzu schwer verständlichen Häppchen portioniert und für die mediale Verdauung so vorbereitet, dass er damit möglichst wenig Arbeit hat. Will er ein (Telefon-)Interview führen, schickt er meist ein paar kryptische W-Sätze (wer, was, wie, wo) mit kleineren und größeren Schreibfehlern. Korrigiert man diese, beruft er sich auf seine Berufsehre, den Ethos des Journalismus, die Unantastbarkeit seines geschriebenen Wortes. Meist beruhigt er sich schnell wieder, er ist schließlich kein Sanguiniker, sondern in seinen Augen nur hoffnungslos unterfordert.So hoffnungslos, dass er seine Energie meist ins Privatleben verlagert, über das man mit ihm gerne und ausführlich sprechen kann. Lädt man ihm zu einem seiner vielfältigen Hobbies ein, hat man einen Freund fürs Leben – bis zum nächsten Artikel, der leider wieder von Fehlern und Ungenauigkeiten strotzt.   

So liebe Journalisten, haben Sie einen Ihrer Kollegen erkannt? Wenn nein, dann stellen wir nächste Woche Ihnen/Euch in unserer kleinen Reihe "Journalisten sind …" vier weitere Typen vor: den Feeder, den Wühler, den Monetären und natürlich den CHEF. Bis dahin kann gerne anonym zurückgepöbelt werden.

Christian Faltin 

 

 

3 Kommentare

  1. Eine nette Aufzählung, mit wohl abgewogenen Silben und Dichterflorett formuliert und sogar noch angesichts eines schlecht temperierten Grand Cru mit gezähmter Häme gewürzt. Das liest der Schurnalist mit Vergnügen und erkennt auch manchen Kollegen wieder, wohl wahr. Dass aber das Abstimmen von Zitaten als großes Plus des kompetenten Profis angeführt wird, führt doch ein wenig an der Realität vorbei. Das mag bei Wochenmagazinen so sein, im Tagesgeschäft bleibt dafür allzuoft keine Zeit. Den wahren Profi erkennt man vielmehr daran, dass das Zitat auch so in der Zeitung steht, wie es gesagt wurde.
    Nun bin ich schon gespannt auf die nächste Folge und nein, ich verrate natürlich nicht, wo ich mich einordne.

  2. Dann freue ich mich künftig über wahre Profis, die richtig mitschreiben oder ein Band mitlaufen lassen und sinngemäß zutreffend oder im Wortlaut zitieren. Ohne Einschübe und Weglassungen ;-). Brauch ich Ihnen ja nicht zu sagen, Sie scheinen ja zu Kategorie 2 zu gehören

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