Causa Guttenberg: Facebook als Votingtool
Wer die Stimmung der Bürger ermitteln will, gibt normalerweise Politbarometer oder sonstige repräsentative Bevölkerungsumfragen in Auftrag. Diese wandern dann durch alle Medien und werden von schlauen Kommentatoren analysiert und auf ihre Konsequenzen hin durchleuchtet. Durch die Causa Guttenberg entdecken die Medien derzeit ein neues Stimmungsbarometer und Voting-Tool: Facebook.
Kaum ein Artikel, keine Diskussionsrunde über den Zurückgetretenen ohne den Hinweis auf die jeweiligen Fanzahlen von Gegnern und Befürwortern. Da wird sogar der Gründer der Gruppe "Gegen die Jagd auf Karl Theodor zu Guttenberg" (393.000 Fans) ein Medienthema und ins ZDF zu Markus Lanz eingeladen. Und die Fanpage, die zu Guttenberg zurückhaben will, findet fast eine halbe Million Unterstützer (alle Zahlen von heute 9 Uhr).
Während das Pro-Lager seine Kräfte in zwei Fanpages bündelt, ist die Kontra-Seite eher in mehrere kleine Pages zersplittert. 10.860 finden "Guttenberg muss gehen", "Für die Jagd auf Karl-Theodor" sind 9300 und "Wir wollen Guttenberg nicht zurück" sagen 26.000 Facebooker. Bei der Fanpage der Studenten und Akademiker gegen KT haben sich 6.200 Personen versammelt.
Während also auf Facebook die Stimmung scheinbar Pro Guttenberg ist, zeigt eine Übersicht von Spiegel Online, dass die Online-Umfragen vieler meinungsbildender Medien zu einem ganz anderen Ergebnis kommen. So kann jeder Publizist das ihm passende Ergebnis zitieren.
Warum ist Facebook als Stimmungsbarometer so gefragt bei deutschen Medien? Per Klick ein Statement abzugeben ist schnell, einfach und unkompliziert. Die Kommentare auf Facebook sind die modernen Leserbriefe. Journalisten können O-Töne sammeln, ohne sich von ihrem Bürosessel erheben zu müssen. Und: Anders als Infratest, GfK oder Forschungsgruppe Wahlen kostet Facebook die Medien nichts.
Das Netz hat Guttenberg maßgeblich mit zu Fall gebracht. Wird Facebook jetzt zum Sprungbrett oder ist es lediglich eine flüchtige Meinungsbekundung? Wieviel ein Gefällt mir-Klick in der realen Welt wirklich wert ist, zeigt sich am Samstag, wo Initiatoren Demonstrationen Pro Guttenberg angekündigt haben.
Christian Faltin
P.S.: Netter Wortwitz gestern zum Thema bei quer im Bayerischen Fernsehen: "Man kann auch als nicht Habilitierter rehabilitiert werden."
P.S. 2: Die Kollegen von meedia haben noch viel mehr amüsante Beispiele dafür gefunden, wer noch alles wen zurück will.