Arschkalt, aber ohne Shitstorm

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Arschkalt, aber ohne Shitstorm

Diese Woche habe ich bei den Kollegen von Lead Digital/w&v einen Gastartikel (gratis) veröffentlicht, der sich mit dem aus meiner Sicht verqueren Verhältnis von Journalisten und „Gratisbloggern“ befasst hat. Die ursprüngliche Headline lautete „Arsch auf Grundeis“, aber ich bin den Kollegen dankbar, dass sie die Überschrift etwas abgeschwächt haben. Schließlich wirbt die Biermarke „Astra Arschkalt“ gerade wesentlich aufmerksamtkeitsstärker mit einer „Popo-Parade“ (Horizont).
Warum diese Kraftausdrücke und war das nicht ein arger Rundumschlag? Möglicherweise, aber irgendwie musste das mal raus. Als gelernter Journalist (13 Jahre) und heutiger Kommunikationsmensch (auch 13 Jahre/Lieber Thomas Knüwer, was ist eigentlich das männliche Pendant zu den PRTanja Anjas?) geht es mir manchmal ziemlich auf den Senkel, wie das Gros der Journalisten mit Menschen umgeht, die selbst im Netz publizieren. War früher die Arroganz der Publikumsjournalisten gegenüber Fachjournalisten manchmal unerträglich, ist es heute der Umgang mit den „Bloggern“, der ganz häufig nervt.
Wir werden dauerhaft damit leben, dass sich im Netz eine Öffentlichkeit jenseits des „klassischen Journalismus“ etabliert, die ein Interesse daran hat, aufmerksamkeitsstarke Inhalte zu publizieren. Das sind zum einen Unternehmen, Marken, Verbände und Institutionen, die verstärkt auf (Vorsicht Buzzword) Content Marketing setzen. Was das für Medien bedeuten kann, hat Thomas Koch in der Wiwo skizziert.
Parallel dazu schreiben Menschen, die das (meistens gratis) Publizieren im weitesten Sinne als wichtiges Element ihrer Selbstvermarktung betrachten. Berater, Anwälte, PRler, alle jene Berufsgruppen, die sich durch Spezialkompetenzen voneinander unterscheiden wollen. Und schließlich die Blogger, die ihr Hobby oder ihr Spezialinteresse pflegen wollen.
All diese Gratisautoren suchen nach Aufmerksamkeit, emotionaler Bestätigung und Reichweite. Waren Sie früher nur Quelle für den Telefonanruf des Journalisten, brauchen sie ihn jetzt nicht mehr für das grundsätzliche Publizieren. ABER: Wirkliche Reichweite (und damit Relevanz) bringt erst die Präsenz in einem großen Medium. Dort ist die Position der Journalisten stark. Hier können sie ihre eigentlichen Tugenden  (Analyse, Selektion, gute Recherche uvm.) ausspielen.Deshalb nutzen die cleveren Publizisten die „Gratisautoren“ als wichtigen Input und als Netzwerk für die Verbreitung. Indem sie mit Bloggern kooperieren und interagieren, erhöhen Sie die Qualität ihrer eigenen Arbeit. Der BBC-Journalist Charles Miller hat sich zu dieser Brave New World des Journalismus ein paar schlaue Gedanken gemacht.
Für uns PRler verändet sich dadurch auch eine ganze Menge. Aber diese Analyse hebe ich mir für meinen nächsten Blogbeitrag in Lead Digital auf.
P.S.: Eigentlich habe ich zumindest ein kleines Shit-Stürmchen als Reaktion auf meinen Beitrag erwartet. Das hätte zwar keine emotionale Bestätigung gebracht, aber zumindest Reichweite. Aber kein einziger Journalist hat bisher geantwortet. Eigentlich schade, wo die Netzwelt doch interaktiv sein soll. Dafür gab es positives Feedback aus der Blogszene. Danke schön dafür.

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